12. Juni 2000

TIBET INFORMATION NETWORK

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Kloster auf Proteste hin von Schliessung bedroht

Dem Kloster Taglung Drag in Kreis Toelung Dechen, Bezirk Lhasa wurde auf die Beteiligung von mindestens 4 seiner Mönche an politischen Protesten im vergangenen Jahr hin mit der Schließung gedroht. Der 22-jährige Mönch Ngawang Tsedrup soll sich, wie verlautet, in Haft befinden, weil er während einer von Regierungsbeamten und öffentlichen Vertretern besuchten Veranstaltung zur Eröffnung der Nationalen Minderheits-Wettkämpfe in Lhasa im vergangenen August "Tibet ist frei" gerufen hatte. Bisher war die Identität dieses Mönches nicht bekannt. Ngawang Thogme, ein 16-jähriger Mönch von Taglung Drag, wurde unter dem Verdacht der Beteiligung an Ngawang Tsedrubs Protest ebenfalls im vergangenen Jahr festgenommen. Einer zuverlässigen Quelle zufolge wurde er zu zwei Jahren "Reform durch Arbeit" verurteilt. Weitere zwei Mönche eben dieses Klosters wurden zu 3 bzw. 4 Jahren verurteilt, nachdem sie am 10. März 1999, dem 40. Jahrestag des Volksaufstandes, im Zentrum von Lhasa Unabhängigkeitsparolen gerufen hatten.

Die Mönche des Klosters Taglung Drag wurden nach dem Protest der beiden Mönche Phuntsog Legmon (Laienname Tseten Norbu) und Namdrol (Laienname Sonam Choedrag) im März 1999 einen Monat lang unter Klosterarrest gesetzt, wobei ihnen nicht gestattet war, zur Abhaltung religiöser Zeremonien auszugehen. Darüber hinaus wurde der 1998 im Kloster gestartete "patriotische Umerziehungsfeldzug" intensiviert und die Mönche einzeln verhört. Als dann noch zwei Mönche während der Minoritäten-Wettkämpfe gefangen genommen wurden, drohten die Behörden den Mönchen von Taglung Drag mit Ausweisung und der Schließung ihres Klosters, falls sie sich weigern sollten, den Dalai Lama zu denunzieren und "die Aktionen der Separatisten zu tadeln", wie aus zuverlässiger Quelle verlautet. Als eine Reaktion hierauf sollen 16 Mönche im September 1999 das Kloster verlassen haben. Von den 8 Mönchen, die in dem etwa 15 km von Lhasa entfernten Kloster noch übrig blieben, sind 5 Studenten, 2 Köche und einer ist der gonyer, der die Schlüsselgewalt hat.

Letztes Jahr gab es in Lhasa vereinzelte Fälle von Dissens-Bekundungen im Zusammenhang mit den heiklen Jahrestagen: dem Gedenken des Aufstandes von Lhasa im März, dem 50. Jahrestag der Gründung der VRC (Nationalfeiertag) und den Sechsten Nationalen Minoritäten-Wettkämpfen, die vom 18. bis 23. August als ein Teil der Feiern zum 40. Jahrestag der "demokratischen Reform" in der TAR (Tibet Autonomous Region) vom Staat veranstaltet wurden. Nach der Quelle von TIN wurde der 22-jährige Taglung Mönch Ngawang Tsedrub (Laienname Norgye) aus dem unter der Stadtverwaltung Lhasa stehenden Kreis Nyemo verhaftet, nachdem er während der Eröffnungsfeier zu den Wettkämpfen in Lhasa auf die Bühne stieg und Unabhängigkeitsparolen, darunter auch "Free Tibet", rief. Berichten zufolge wird er derzeit in dem Seitru Haftzentrum des PSB (Büro für öffentliche Sicherheit) gefangen gehalten.

Sein Gefährte aus dem Taglung Drag Kloster, Ngawang Thogme (Laienname Jigme), ebenfalls aus Kreis Nyemo, wurde einige Tage später unter Verdacht der Mitbeteiligung an Norgyes Protest verhaftet. Andere Quellen lassen darauf schließen, daß er wenige Tage nach Norgye selbst in ähnlicher Weise protestierte. Er wurde zwei Monate in dem PSB Haftzentrum in Toelung Dechen gefangen gehalten und ist nun nach Trisam in das Lager für "Umerziehung-durch-Arbeit" verlegt worden, wo er laut TIN's Quelle eine 2-jährige Strafe verbüßt. Die kürzere "Administrativstrafe" in Trisam anstelle einer längeren gerichtlich verhängten Haft in Drapchi, die allgemein als härter gilt, mag auf sein jugendliches Alter zurückzuführen sein oder darauf, daß die Polizei ihn nicht für eine Schlüsselfigur bei der Planung des Protestes hält.

TIN erhielt auch weitere Einzelheiten über die Inhaftierung zweier Mönche, die am 10. März letzten Jahres demonstrierten, des 18-jährigen Phuntsog Legmon aus der Gemeinde Nechung, Kreis Toelung Dechen, und des 24-jährigen Namdrol aus dem Kreis Lhundrub in Phenpo. Die zwei Mönche wurden im Anschluß an ihre Verhaftung von der Sicherheitspolizei schwer geschlagen, wie TIN von einer nun im Exil in Indien befindlichen Quelle erfuhr: "Namdrols Mund wurde so schlimm zerschlagen und seine zerbrochenen Zähne schauten so fürchterlich aus, daß die Umstehenden ihn nicht einmal anblicken konnten". Die zwei Mönche waren anfänglich in der Gutsa Haftanstalt eingesperrt und sind nun in Drapchi, wo Namdrol eine 4-jährige Strafe und Phuntsok Legmon eine 3-jährige Strafe verbüßt.

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